Superkompensation und Trainingserfolg

Das Superkompensationsmodell zur Trainingssteuerung hilft dir beim langfristigen Trainingserfolg. Das Superkompensationsmodell von Jakowlew (1976) zur Trainingssteuerung und seine zahlreichen Varianten dient bevorzugt zur Erklärung der längerfristigen Auswirkung des Trainings.

RunnersGate, Superkompensation und Trainingserfolg

Was ist die Superkompensation?

Die Superkompensation beschreibt als Modell zur Trainingssteuerung die Anpassungsreaktion der körperlichen Funktionssysteme durch den Körper, nicht nur zur Erbringung des gleichen Leistungsniveaus, sondern im Verlauf der Erholung (Regeneration) über das ursprüngliche Niveau hinaus (siehe Abbildung 1). Die Superkompensation ruft physische und psychisch Veränderungen hervor.

Zur Steigerung der sportlichen Leistung durch Superkompensation, muss das psychophysische Gleichgewicht „gestört“ werden. Dabei erfolgt die gezielte und kontinuierliche Leistungssteigerung durch planmäßige Trainings- und Wettkampfbelastungen durch das Setzen von trainingswirksamen Belastungsreizen.

Im 4-Stufen-Modell der Superkompensation (siehe Abbildung 1) führt durch Anpassung (Adaption), beginnend vom Ausgangsniveau (1) der körperlichen Leistungsfähigkeit, eine Belastung (2) zur Ermüdung (3) und einer sinkenden körperlichen Leistungsfähigkeit. In der anschließenden Erholung (4) und der Wiederherstellung (5) der Leistungsfähigkeit findet eine positive Anpassung (6) statt als Prinzip der Superkompensation (7). Erfolgt jetzt keine neuerliche Belastung findet eine negative Anpassung statt (8), mit der Rückkehr zum Ausgangsniveau (9) der körperlichen Leistungsfähigkeit.

Abbildung 1: 4 Stufen-Modell der Superkompensation

Während des Lauftraining beispielsweise, startet die metabolische Schieflage und der Sauerstoffmangel im Körper eine Kaskade von verschiedenen Hormonausschüttungen (siehe Regeneration im Lauftraining). Diese fällt im Idealfall so stark aus, dass nicht nur eine vollständige Regeneration, sondern sogar eine Verbesserung stattfindet. Die Ausschüttung spezieller Wachstumshormone und -faktoren regt Stoffwechselprozesse an. Infolgedessen werden bestimmte Gene verstärkt aktiviert und es folgen die für Ausdauertraining typischen Anpassungen:

  • Vergrößerung der Anzahl an Mitochondrien in den Muskelzellen
  • Vergrößerung des Herzens und dessen Schlagvolumen
  • Steigerung der Energiereserven in der Muskulatur
  • Verstärkte Produktion wichtiger Stoffwechselhormone
  • Angeregte Bildung roter Blutkörperchen zum Sauerstofftransport
  • Umwandlung schneller Muskelfasern in langsame ausdauernde Muskelzellen

Kritik der Superkompensation

Das Superkompensationsmodell von Jakowlew (1976) und seine zahlreichen Varianten dient bevorzugt zur Erklärung der längerfristigen Auswirkung des Trainings. Kritisiert wird das Modell mittlerweile als entbehrlich, da es die Realität in seiner Komplexität der sportartspezifischen Vorbereitung zweckmäßiger Anpassungen nicht gerecht wird. Beispielsweise üben Friedrich und Moeller (1999) am Superkompensationsmodell Kritik, da es keine Alters- und Geschlechtsdifferenzierung, keine Berücksichtigung des erreichten Trainingsniveaus und keine erfassbaren objektiven Messgrößen ausweist. Insbesondere gibt es auf die differenzierte Anpassung informationeller und konditioneller Prozesse keine Antwort. Deshalb müssten gegenwärtige leistungsphysiologisch, sportmedizinische oder sportwissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert werden, weil sie nicht in das Superkompensationsmodell passen.

Es ist wichtig das Superkompensationsmodell so zu verstehen, dass es die Anforderungen an die Trainingsgestaltung im Zeitverlauf allgemein formuliert. Eine unmittelbare Umsetzung in einen Trainingsplan ist aus den genannten Gründen nicht möglich.

Wie viele Tage Trainingspause, um einen neuen Trainingsreiz zu setzen?

Die Frage wie viele Tage Trainingspause nötig sind, um einen neuen Trainingsreiz (sportliche Anstrengungen, die zu Anpassungsleistungen des Körpers führt) zu setzen ist gar nicht so einfach zu beantworten. Für die Beantwortung der Frage in den nachfolgenden Abschnitten ist das Verständnis verschiedener Gesetzmäßigkeiten im Training wichtig:

  • Um Anpassungsvorgänge auszulösen, muss im Training eine bestimmte Reizstärke (kritische Reizschwelle, Reizschwellengesetz) überschritten sein. Die Belastungsintensitäten und -umfänge im Training richten sich nach dem Trainingszustand, um eine Anpassungsreaktion zu erreichen.
  • Zur Auslösung spezifischer Anpassungen sind spezifische Reize erforderlich. Die Belastungsreize hängen vom Alter (kalendarisch, biologisch), dem Leistungsstand, dem Gesundheitszustand, dem Geschlecht und dem Ziel des Athleten ab. Die Trainingsmethodik (Trainingsinhalte, Trainingsmethoden, Trainingsmittel und Organisationsformen) bestimmt die Art der Anpassung.
  • Wichtig ist auch das Trainingsprinzip der optimalen Relation von Belastung und Erholung. Dabei versteht man ein Trainingsprinzip als übergeordnete Anweisung zum Handeln im sportlichen Training, eher als allgemeine Orientierungsgrundlage als eine konkrete Handlungsrichtlinie.

Prinzip der optimalen Relation von Belastung und Erholung

Abbildung 2: Superkompensation - Prinzip der optimalen Relation von Belastung und Erholung

Abbildung 2 veranschaulicht das Prinzip der optimalen Relation von Belastung und Erholung. Danach steigt das Leistungsniveau, wenn auf dem Optimum der Superkompensation oder kurz davor oder danach der nächste Belastungsreiz gesetzt wird. Das Leistungsniveau stagniert, wenn die Trainingspausen zu kurz oder zu lang sind. Sind die Trainingspausen viel zu kurz, dann sinkt das Leistungsniveau und man befindet sich im Übertraining. Bei viel zu lang Trainingspausen sinkt ebenfalls das Leistungsniveau.

Welche Faktoren beeinflussen die Regenerationszeit?

Von der Art der Belastung hängt ab, welche Vorgänge durch sportliches Training genau im Körper ablaufen und welche Anpassungen im Rahmen der Superkompensation stattfinden. Diese Anpassungen bestimmen die Regenerationszeit (siehe hierzu auch Regeneration im Lauftraining). So hat ein langsamer, aber langer Dauerlauf ganz andere Auswirkungen als ein kurzes, aber erschöpfendes Sprinttraining. Experten sprechen hier von der Trainingsintensität.

Krafttraining

Im Krafttraining beispielsweise bezeichnet die Trainingsintensität das Gewicht, mit dem Du trainierst. Es entscheidet darüber, wie viele Muskelfasern während einer Übung aktiv sind und damit belastet werden. Je höher die Intensität, desto länger fällt in der Regel die anschließende Regenerationsphase aus. Dadurch, dass Du einen größeren Anteil des Muskels beansprucht hast, müssen auch mehr Zellen regenerieren, was mehr Ressourcen beansprucht. Die Verfügbarkeit, der zum Muskelaufbau und anderen Anpassungen benötigten Aminosäuren, ist aber begrenzt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Regeneration nach dem Krafttraining ist der Muskelkater. Er entsteht, weil durch die hohen Belastungen, vor allem, wenn sie ungewohnt sind, viele Schäden an den Verbindungsstellen zwischen den Muskelfasern entstehen. Das ist nicht weiter schlimm, der Körper benötigt aber Zeit, um diese zu beheben. Erschwerend hinzu kommt, dass die betroffenen Zellen eine leichte Entzündungsreaktion zeigen, was sich in den bekannten Schmerzen äußert. Erst nachdem die kaputten Zellen abtransportiert und ersetzt wurden, ist die volle Leistungsfähigkeit wiederhergestellt. Bis auch die Superkompensation abgeschlossen ist, kann nach sehr hartem Krafttraining daher bis zu einer Woche vergehen.

Lauftraining

Beim Lauftraining steht weniger die maximale Muskelleistung als vielmehr die kontinuierliche Bereitstellung der nötigen Energie im Vordergrund. Während die Leistung jedes einzelnen Muskels gering ist, ist beim Lauftraining doch fast die ganze Muskulatur durchgängig im Einsatz – dadurch entsteht ein entsprechend hoher Energieverbrauch. Für die Ausdauerleistung entscheidend sind daher alle Prozesse im Körper, die der Energiegewinnung und dem damit verbundenen Stoffwechsel dienen. Als Messwert für die Trainingssteuerung der Intensität eines Ausdauertrainings hat sich die Herzfrequenz als aussagekräftig und einfach zu handhaben erwiesen.

Schäden an den Zellen entstehen beim Lauftraining weniger durch mechanische Belastung als vielmehr durch die Stoffwechselaktivität selbst. In den Mitochondrien können verstärkt freie Radikale entstehen, die Zellstrukturen in ihrer Leistung beeinträchtigen oder sogar ganz zerstören. Auch hier benötigt die Wiederherstellung Zeit. Ferner müssen aufgebrauchte Energiedepots in den Zellen wiederhergestellt und Stoffwechselendprodukte abgebaut und ausgeschieden werden.

Übersicht über die Faktoren, die die Regenerationszeit beeinflussen

Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Faktoren, die die Regeneration beeinflussen. Das sind beispielsweise die genetische Veranlagung, die körperliche Verfassung und die Lebensführung. Banaler Weise trägt eine gesunde Lebensführung mit viel Schlaf besser zum Erholen und Regeneration bei als das Gegenteil.

Dazu kommen weitere Faktoren wie Trainingszustand, Belastungsart, Belastungsgefüge des Trainings und die Nachbereitung der Belastung (siehe hierzu auch Regeneration im Lauftraining).

Tabelle 1: Superkompensation - Faktoren, die die Regenerationszeit beeinflussen

Wie lange dauert die Superkompensation?

Die nachfolgende Tabelle gibt Antwort auf die Frage wie lange die einzelnen Regenerationsvorgänge ohne Superkompensation dauern können. Zusätzlich brauchen die verschiedenen körperlichen Systeme dann auch noch Zeit für die Superkompensation.

Die Ausgangsfrage „Wie viele Tage Trainingspause, um einen neuen Trainingsreiz zu setzen?“ kann nur differenziert nach den betroffenen körperlichen Systemen, deren Regenerationszeit und zusätzlicher Superkompensation beantwortet werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang sich auch auf sein Körpergefühl zu verlassen.

Tabelle 2: Superkompensation - Überblick über die Zeitdauer der Regenerationsvorgänge

Wie kann ich die Regeneration fördern?

Sehr entscheidend für das Prinzip der optimalen Belastung und Erholung ist die optimale Regeneration. Einer der häufigsten Fehler ambitionierter Hobbyläufer bei der Trainingssteuerung ist es, die Regeneration zu vernachlässigen. Ganz nach der Regel „Viel hilft viel!“ steigern sie ihre Trainingsbelastung so viel und schnell wie möglich und schieben auch mal eine extra Einheit ein. Das schadet aber in den meisten Fällen dem langfristigen Trainingserfolg. Im Artikel „Regeneration im Lauftraining“ bekommst du Tipps wie du die kurzfristige, die mittelfristige und die langfristige Regeneration unterstützen kannst.

FAQ

Wie funktioniert Training nach dem Prinzip der Superkompensation?

Ein Training nach dem Prinzip der Superkompensation ist im engeren Sinne nicht möglich. Das Superkompensationsmodell von Jakowlew (1976) und seine zahlreichen Varianten dient bevorzugt zur Erklärung der längerfristigen Auswirkung des Trainings. Es formuliert die Anforderungen an die Trainingsgestaltung im Zeitablauf allgemein. Siehe dazu auch den Abschnitt „Kritik der Superkompensation“.

Wie sieht ein Superkompensation Trainingsplan aus?

Da das Superkompensationsmodell von Jakowlew (1976) und seine zahlreichen Varianten bevorzugt zur Erklärung der längerfristigen Auswirkung des Trainings dient, kann es auch keinen Superkompensation Trainingsplan geben. Ein Trainingsplan muss auch ggf. eine Alters- und Geschlechtsdifferenzierung, eine Berücksichtigung des erreichten Trainingsniveaus und erfassbare objektive Messgrößen ausweisen und auf die differenzierte Anpassung informationeller und konditioneller Prozesse eingehen. Siehe dazu auch den Abschnitt „Kritik der Superkompensation“.

Zusammenhang Superkompensation und Ernährung?

Die Ernährung spielt für die Trainingsgestaltung eine wichtige Rolle (siehe Sporternährung). Beispielsweise kann die Ernährung auch einen wichtigen Beitrag für die optimale Erholung im Training leisten. Siehe dazu den Abschnitt „Übersicht über die Faktoren, die die Regenerationszeit beeinflussen“.

Superkompensation und Joggen?

Beim Lauftraining steht weniger die maximale Muskelleistung als vielmehr die kontinuierliche Bereitstellung der nötigen Energie im Vordergrund. Während die Leistung jedes einzelnen Muskels gering ist, ist beim Lauftraining doch fast die ganze Muskulatur durchgängig im Einsatz – dadurch entsteht ein entsprechend hoher Energieverbrauch. Siehe dazu den Abschnitt „Lauftraining“.

Quellen

  • Friedrich, W., Moeller, H. (1999), Zum Problem der Superkompensation, Leistungssport, 29 (5), S. 52 – 55
  • Hottenrott, K. (2010), Ist das Superkompensationsmodell noch aktuell? www.researchgate.net/publication/278300295_Ist_das_Superkompensationsmodell_noch_aktuell (abgerufen am 01.02.2021)
  • Hottenrott, K., Neumann, G. (2020), Trainingswissenschaft - ein Lehrbuch in 14 Lektionen, 4. überarb. Aufl., Meyer & Meyer Sport
  • Jakowlew, N. (1976), Erweiterung der Regulationsbereiche des Stoffwechsels bei Anpassung an verstärkte Muskeltätigkeit, Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 16, S. 66 – 70
  • Thoß, U. (2012), Sport, 4., akt. Aufl., Mannheim: Cornelson Scriptor

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